Die Schüttdichte und das Fließverhalten sind bei pulvertechnologisch basierten Herstellungsprozessen, wie zum Beispiel beim additiven Laser-Powder Bed Fusion Prozess wichtige Kenngrößen zur Charakterisierung von Pulversorten, da diese maßgeblich die Verarbeitbarkeit des Pulvers bei den verschiedensten Fertigungsprozessen bestimmen. [Fra16] Besonders bei pulverbettbasierten additiven Fertigungsverfahren sind ein gutes Fließverhalten zum Handling des Pulvers und zum Aufbringen der Pulverschichten sowie eine hohe Schüttdichte zur Herstellung porenfreier Bauteile von wichtiger Bedeutung. [Kru15], [Tan17] Die Licht- und Rasterelektronenmikroskopie bietet hierzu in Kombination mit dem Bildanalysetool der Software ZEISS ZEN 2 core die Möglichkeit, Pulversorten effizient zu charakterisieren und deren Qualität zu bestimmen.

Einleitung

Die Schüttdichte und das Fließverhalten einer Pulversorte werden maßgeblich durch die vorliegende Pulvermorphologie, Topographie, Größenverteilung und innere Partikel-/Granulatstruktur bestimmt. Während sphärische Granulate positive Fließeigenschaften innehaben, weisen unregelmäßig oder nadelig geformte Granulate aufgrund möglicher Verhakungsvorgänge untereinander ein ungünstigeres Fließverhalten auf. Dennoch kann ein sphärisches Granulat bei näherer Betrachtung eine raue Oberflächenstruktur aufweisen, welche zu hohen Reibungskräften führt und somit die Bewegung des Pulvers beim Fließen oder Verdichten stark beeinträchtigt. [Sch14] Trockene Pulversorten mit hohem Feinanteil zeigen darüber hinaus stark auftretende Adhäsionskräfte zwischen den einzelnen Partikeln/Granulaten in Form von van-der-Waals-Wechselwirkungen und schränken die Fließfähigkeit der Pulversorte zudem ein. [Mol00] Des Weiteren hat die innere Partikel-/ Granulatstruktur einen entscheidenden Einfluss auf die Schüttdichte und die Festigkeit einer Pulversorte. Eine innenliegende Porosität verringert bspw. die Schüttdichte sowie die Granulatfestigkeit. [Sch14] Soll nun gezielt eine Pulversorte auf ihre Eignung geprüft oder verschiedene Pulversorten untereinander verglichen werden, so müssen die Einflussgrößen Morphologie, Topographie, Größenverteilung und innere Struktur untersucht werden, um Rückschlüsse auf deren Anwendbarkeit für anschließende Fertigungsprozesse schließen zu können..

Experimentelles

Zur Untersuchung standen zwei granulierte Wolframcarbid- Kobalt-Pulversorten mit identischer chemischer Zusammensetzung zur Verfügung, welche in ihrer Schüttdichte stark voneinander abweichen. Die Schüttdichte der beiden Pulversorten wurde nach DIN EN ISO 3923:2010, die Fließfähigkeit nach DIN EN ISO 13517:2013 bestimmt und in Tabelle 1 dargestellt.


Zur Untersuchung des Schüttdichtenunterschieds wurden am Stereo-Zoom-Mikroskop ZEISS Axio Zoom.V16 bei 80-facher Vergrößerung im Durchlicht Streupräparate betrachtet. Hierzu wurden wenige Gramm der jeweiligen Pulversorte in einer Petrischale homogen verteilt und anschließend mittels der in ZEISS ZEN 2 core vorliegenden Softwarefunktion großflächige Kachel-Aufnahmen erstellt, um eine Mindestanzahl von 6000 Granulaten je Analyse sicherzustellen zu können. Definiert wurde eine Fläche von 3x3 Einzelbildaufnahmen. Mit Hilfe des integrierten Bildanalysetools erfolgte nach der Festlegung der Klassen und des Messrahmens die automatische Segmentierung mittels Grauwertschwellendefinition. Fehlerhafte Segmentierungen konnten vor der Auswertung interaktiv korrigiert werden. Als die zu bestimmenden Messmerkmale wurde der Äquivalentdurchmesser, welcher dem Durchmesser eines flächengleichen ideal runden Granulates entspricht, zur Bestimmung der Granulatgröße sowie das Feretverhältnis, welches dem Verhältnis des kleinsten zum größten Feret-Durchmesser entspricht und somit eine Aussage zur Sphärizität der Granulate zulässt, bestimmt. Abbildung 1 stellt einen Ausschnitt eines Streupräparats im Durchlicht, links vor der Segmentierung, rechts nach der automatischen Segmentierung mittels des in ZEISS ZEN 2 core zur Verfügung gestellten Bildanalysetools dar.


Aus der Vielzahl an untersuchten Granulaten (>6000 Objekte) konnte die Granulatgrößenverteilung sowie die Feret-Verhältnisverteilung ausgewertet und graphisch, siehe Abbildung 2, dargestellt werden.


Die Betrachtung der Granulatgrößenverteilung sowie der Feretverhältnisverteilung zeigt, dass der Schüttdichtenunterschied aufgrund eines nur gering abweichenden Kurvenverlaufs auf die innere Struktur der Granulate zurückzuführen sein muss. Aus diesem Grund erfolgte die weitere Betrachtung der Granulate am Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop ZEISS Crossbeam 550 (FIB-REM). Hierzu wurden diese auf einen mit Graphitpaste bestrichenen Probehalter gestreut und zur Sicherstellung der elektrischen Leitfähigkeit mit einer Gold-Palladiumschicht besputtert. Abbildung 3 stellt eine Übersichtsaufnahme, Abbildung 4 eine Detailaufnahme der beiden WC-Co-Pulversorten im Vergleich dar.


Deutlich zu erkennen ist sowohl in den Übersichtsaufnahmen als auch in den Detailaufnahmen eine nach außen geöffnete Porosität der Pulversorte 1, während hingegen Pulversorte 2 eine nach außen geschlossene Granulatoberfläche aufweist. Zudem weist Pulversorte 2 eine sichtlich feinere Oberflächenstruktur, welche auf eine geringere WC-Partikelgröße zurückzuführen ist, auf. Zur Charakterisierung der inneren Granulatstruktur wurde je Pulversorte jeweils ein FIB-Schnitt mit dem ZEISS Crossbeam 550 durch die Mitte eines zufällig gewählten Granulats gelegt. Die Aufnahmen sind zum Vergleich in Abbildung 5 dargestellt. Bei der Betrachtung der Aufnahmen liegt bereits die Vermutung nahe, dass die Pulversorte 1 einen deutlich höheren Anteil an innerer Porosität im Vergleich zur Pulversorte 2 aufweist.


Zur quantitativen Bestimmung des Porositätsanteils erfolgte die Probenpräparation mittels Epoxidharz, in welches wenige Gramm des Pulvers eingebettet wurden, anschließend fand die Probenpräparation mittels verschiedener Schleif- und Polierschritte mit dem System Struers Tegramin-30 statt. Während der Schleif- und Polierschritte konnten die Granulate angeschnitten werden und erlaubten somit einen Einblick in deren innere Struktur. Zur Sicherstellung der elektrischen Leitfähigkeit der metallographischen Schliffproben fand ein Sputtervorgang zur Abscheidung einer Gold-Palladiumschicht statt, im Anschluss wurden die Proben am Feldemissions-Rasterelektronenmikroskop ZEISS Sigma 300 VP (FE-REM) betrachtet. Die Pixelgröße der Aufnahmen beträgt 50 nm, um die kleinste zu erfassende Pore mit einer Mindestanzahl von 10 Pixeln abzudecken. Die weitere Auswertung fand auch hier mittels des Bildanalysetools der Software ZEISS ZEN 2 core statt. Hierbei wurde eine hierarchische Segmentierung zweier Grauwertschwellen verwendet, mit welcher zu Beginn die Granulate (rot) und im Anschluss die innenliegenden Poren (blau) mittels einer weiteren Grauwertschwelle segmentiert werden konnten. Abbildung 6 zeigt die angelegten Klassen zur Bildanalyse.


Als zu bestimmende Messmerkmale wurden die Fläche der einzelnen Granulate sowie die Fläche der vorhandenen innenliegenden Poren definiert. Somit konnte nach der Zuordnung der Poren zu den jeweiligen Granulaten der Anteil an innerer Porosität bestimmt und die mittlere Porosität aus jeweils 20 betrachteten Granulaten berechnet werden. Abbildung 7 stellt einen Ausschnitt der REM-Aufnahmen sowie das dazugehörige segmentierte Bild mittels des Bildanalysetool der Software ZEISS ZEN 2 core dar. Deutlich zu erkennen ist ein höherer Porositätsanteil der Pulversorte 1.


Somit kann die um > 20% geringere Schüttdichte der Pulversorte 1 aufgrund einer um ca. 30% höheren vorliegenden mittleren Porosität erklärt werden. Die Fließfähigkeit der beiden Pulversorten weist aufgrund der sphärischen Granulatform beider Pulversorten eine fast identische Eigenschaft auf. Die etwas bessere Fließfähigkeit der Pulversorte 2 kann auf die feinere Oberflächentopographie und die daraus resultierende geringere Reibung zwischen den Granulaten zurückgeführt werden.

Zusammenfassung

Die dargestellte Möglichkeit zur Pulvercharakterisierung zeigt, dass mittels der Licht- und Rasterelektronenmikroskopie eine nahezu vollständige Charakterisierung einer Pulversorte durchgeführt werden kann. Das Bildanalysetool der Software ZEISS ZEN 2 core erlaubt zudem Aufnahmen der Lichtmikroskopie sowie der Rasterelektronenmikroskopie quantitativ hierarchisch auszuwerten. Granulate, Poren und Phasen können automatisch mittels Grauwertschwellendefinition segmentiert, korrigiert und anschließend ausgewertet werden. Besonders die Funktion der automatischen Segmentierung ermöglicht das gleichzeitige Auswerten einer Vielzahl an Partikel-/Granulaten und bietet somit eine schnelle und statistisch sichere Aussage zur Qualität einer vorliegenden Pulversorte.

Quellennachweise

[Fra16] L. F. Francis, B. J. H. Stadler, C. C. Roberts: Materials processing, Academic Press is an Elsevier (2016)

[Kru15] J.-P. Kruth, S. Dadbakhsh, B. Vrancken, K. Kempen, J. Vleugels, J. Van Humbeeck: Additive Manufacturing of Metals via Selective Laser Melting, in Additive Manufacturing: Innovations, Advances, and Applications, Hrsg.: T. S. Sudarshan, et al., CRC Press (2015)

[Mol00] H. Mollet, A. Grubenmann: Formulierungstechnik: Emulsionen, Suspensionen, Feste Formen, WILEY-VCH Verlag GmbH (2000)

[Sch14] D. Schulze: Pulver und Schüttgüter, Springer Vieweg (2014)

[Tan17] Y. Tan, J. Zheng, W. Gao, S. Jiang, Y. Feng: The Effect of Powder Flowability in the Selective Laser Sintering Process, in Proceedings of the 7th International Conference on Discrete Element Methods, Hrsg.: X. Li, et al., Springer Singapore; Imprint; Springer (2017)