Einleitung

Die mikroskopische Betrachtung von Stärke ist eine erganzende Untersuchung zu den üblichen Analysemethoden der Stärke bzw. der Stärkeerzeugnisse. Die Stärke ist ein Naturstoff und unterliegt damit den Schwankungsbreiten der natürlichen Entstehung.
Diese Rohstoffschwankungen zu erfassen und den verschiedenen Einsatzgebieten der Stärke anzupassen bzw. konstant zu halten, ist Teil der täglichen Laborroutine bei der Firma Crespel & Deiters (C & D).

Am Hauptsitz von Crespel & Deiters in Ibbenburen wird Weizen in seine originaren Bestandteile zerlegt und zu maßgeschneiderten Produkten veredelt, die in vielen Branchen des Food- und Non-Food Bereiches zum Einsatz kommen.
Abbildung 1 Der schichtweise Aufbau von Stärke ist gut im Iod-Kaliumiodid
(Lugol´sche Lösung) gefärbten Präparat der Kartoffelstärke im Mikroskop zu erkennen. Mit freundlicher Genehmigung: Prof. Dr. G. Wanner, Biozentrum der LMU, München, Deutschland

Wissenswertes zur Stärkebildung und pflanzlichen Speicherung

Pflanzen sind autotrophe Organismen, d.h. sie erzeugen alle Substanzen für ihre Biomasse selbst. Der entscheidende Prozess ist die Photosynthese, die in speziellen Zellorganellen, den Chloroplasten, startet. Typischerweise findet die Photosynthese tagsüber in den grünen Blättern statt, wenn die Lichtverhaltnisse ausreichend sind. Es wird zunächst Zucker (meist α / β-D-Glucose) gebildet, der zu assimilierter Stärke polymerisiert. Damit ist der Zucker nicht mehr in Lösung und beeinträchtigt nicht mehr das osmotische Gleichgewicht. Nachts findet die Dunkelreaktion der Photosynthese statt und die Pflanze wandelt die assimilierten Stärkekörnchen mittels Amylase in ein lösliches Disaccharid um.
Über das Phloem (röhrenförmige Leitelemente der Pflanze) wird diese Saccharose in die pflanzentypischen Speicherbereiche wie Markparenchym, Sprossknollen und Wurzelknollen transportiert, wo sie in Proplastiden wieder zu Stärke polymerisiert wird.
Daraus entstehen mit zunehmendem Stärkegehalt Amyloplasten..
Der Stärkeaufbau findet dabei schalenförmig um ein Stärkebildungs-Zentrum statt, das z.B. im Polarisationsmikroskop gut zu erkennen ist. Die Schalen selbst können im Hellfeld mit Iod-Kaliumiodid-Lösung (Lugol) erkannt werden.
Abbildung 2 Weizenstärke (40×) liegt in bimodaler Verteilung vor.
Kleine Körner liegen zwischen 2 μm und 15 μm, große zwischen 25 – 40 μm vor Mit freundlicher
Genehmigung: L. Prange, Crespel & Deiters GmbH, Deutschland

Was macht die Pflanze mit der Stärke?

Die Stärke dient der Pflanze zur Energiegewinnung (enzymkatalysierte α-D-Glukoseabbau) sowie als Gerüstsubstanz (Verkettung von β-D-Glukose Einheiten zu Cellulose) für die pflanzlichen Zellwande.² Stärkearten können im Licht- und Elektronenmikroskop eindeutig identifiziert werden. Für Elektronenmikroskopiker hat es sich bewährt, nüchterne Pflanzen mit abgebauter Assimilationsstarke zu untersuchen, da stärkereiche Blätter Probleme beim Ultradünnschneiden und bei der Nachkontrastierung verursachen. Plastide können sich zur Anpassung an Umgebungsbedingungen umwandeln. Die Umwandlung der Amyloplasten in Chloroplasten lässt sich beispielhaft an einer Kartoffelknolle beobachten, die unter Lichteinfall ergrünt. Die Natur hat einen weiteren Bauplan für Kohlenhydrate: Ist am C2 Atom der verknüpften Monomeren (Zuckereinheiten) statt der Hydoxyleine N-Acetyl-Gruppe, so handelt es sich um Chitin, die Substanz der Exoskelette von Krebsen und Käfern.
Abbildung 3 Kartoffelstärkekörner (40×) liegen in der Größe zwischen
15 und 100 μm. Bei genauerer Betrachtung kann die Schichtung der Körner erkannt werden. Mit freundlicher Genehmigung: L. Prange, Crespel & Deiters GmbH, Deutschland
Abbildung 5 Gequollene Weizenstärke (10×). Es sind unterschiedliche
Quellzustände verschiedener Stärkekörner mit weitestgehend verschwundenen Polarisationskreuzen zu beobachten. Mit freund

Vor der Verwendung muss die Stärke freigelegt werden

Für Stärke gibt es zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten als Nahrungsquelle oder industrieller Rohstoff. Voraussetzung für die Nutzung ist es, die Speicherhülle der Stärke zu entfernen.

    Es sei exemplarisch auf zwei typische humaninduzierte Beschädigungen der Hülle zum Aufschluss der Stärke hingewiesen:
  1. A) Herstellung von Haferflocken durch mechanische Zerstörung des Endosperms und Freilegung der Stärke von Hafer durch Walzen.
  2. B) Der kontrollierte, enzymatische Abbau des Endosperms des Amyloplasten im Bierbrauproze., dem sogenannten „Malzen“ (biologisch / chemisch). Das Malzen geht dem Maischen voraus. Man bringt die Getreidekörner zum Keimen, dabei bildet das Korn große Mengen Amylase. Beim späteren Maischen wird die Stärke nach der Verkleisterung bei 60 – 75 °C schnell abgebaut. Vorwiegend entsteht dabei Maltose, da es sich bei den Enzymen zumeist um .ß-Amylasen handelt.


Die Maltose kann dann als Substrat von der Hefe verstoffwechselt werden. Es gilt einerseits, die schützende Doppelmembran des Amyloplasten zu entfernen, um dann den folgenden Stärkeabbau durch Amylasen zum gewünschten Endprodukt durchzuführen. Derartige Risse und Beschädigungen sind im Anhang exemplarisch dargestellt. Sie stellen den mikroskopisch fassbaren Startpunkt der Stärkenutzung beim Brauprozess dar.
Abbildung 4 Maisstärke (40×). Hier werden Durchmesser zwischen 10 μm
und 25 μm mit einer vorwiegend unregelmäßigen 5-Eckstruktur gefunden. Derartige polygonale
Formen entstehen, wenn die Plastiden mit Stärkekörnern überfüllt sind (wie z.B. auch bei Reisstärke). Die Grenzflächen der initialen Stärkekörner berühren sich beim Wachstum und bilden somit lineare Grenzflächen aus. Mit freundlicher Genehmigung: L. Prange, Crespel & Deiters GmbH, Deutschland

Routineuntersuchung von Stärke

Sofern Stärkekorner vorhanden sind, wird das Lichtmikroskop zum Erkennen der Stärkearten eingesetzt (z.B. Weizen-, Mais- und Kartoffelstarke). Je nach der Stärkesorte weisen die Körner Unterschiede in der Form und Korngro.e auf. Ein wichtiger Parameter von Stärkeanwendungen ist dabei die Verkleisterung, bei der die Stärkekörner im Wasser unter Wärmezufuhr einen Kleister ausbilden. Risse, Verunreinigungen oder Zerstörungen an den Stärkekörnern, die mit Hilfe des Lichtmikroskops gut erkannt werden, können u.U. das Verkleisterungsverhalten und somit die Verkleisterungstemperatur unerwünscht beeinflussen. Diese lassen sich mit Hilfe des Lichtmikroskopes gut erkennen. Instrumentell lässt sich dieses Verkleistern mit einem sogenannten „Viskograph E“ von der Fa. Brabender erfassen. Zur Mikroskopie der Stärke verwendet man ein aufrechtes Lichtmikroskop wie zum Beispiel ZEISS Axio Lab.A1 oder auch ZEISS Axio Scope.A1 mit der DIC Option. Typischerweise werden 10., 20. und 40. – Objektive sowie eine Polarisationseinrichtung mit Lambda-Platte verwendet. Die eingesetzte Kamera (z.B. ZEISS Axiocam ERc 5s) und Software sollte über eine gute Dynamik und einen Weißabgleich mit einzelnen Farbkanälen verfügen, damit das polarisationsinduzierte Farbspiel wirklichkeitsgetreu abgebildet werden kann. Bei regelmäßiger DIC Applikation sollte die Kameraleistung entsprechend angepasst sein. Vorgehen: Auf einem Objektträger wird ein Glycerin / Wassergemisch verwandt, welches die Stärkeprobe in dünner Lage suspendiert und mit einem Deckglas (0,17) gedeckelt wird. Bei Anwendung des Polarisationsfilters entstehen aufgrund der Doppelbrechung der Stärkekörner Polarisationskreuze (Abbildung 5). Die charakteristische Doppelbrechung ist bei ungequollenen Stärkekörnern zu erkennen. Eine Zunahme der Quellung führt zum Verlust der Doppelbrechung bis hin zur vollständigen Verkleisterung der Probe, wonach sie gänzlich verschwunden ist. Daher lassen sich mit Hilfe des Mikroskopes die Stufen bzw. der Grad der Quellung nachvollziehen.

Nach der Verkleisterung nativer Stärke

Mit dem sogenannten DIC - Kontrast lasst sich auch nach der Verkleisterung im „Viskograph E“ der Stärkekleister mit Hilfe des Mikroskops untersuchen (Abbildung 5). Bei vollständiger Verkleisterung quellen die Körner irreversibel bis zu einem Vielfachen Ihres ursprünglichen Volumens an (Abbildung 6 und 7).

Fraßgänge (Lochfraß) in Stärkekörnern

Fräßgänge (Lochfraß) lassen sich zum Beispiel gut an Körnern einer vernetzten, acetylierten Stärke erkennen. Chemische Substitutionen und manchmal auch enzymatische (Langzeit-) Angriffe auf die Körner zeigen sich durch Lochfraß in Form von Rohren / Kanälen in das Zentrum des Kornes (Abbildung 8 und 9).

Risse und Sternenförmige Gebilde an Stärkekörnern

Sternenförmige Gebilde sind in der Regel auf mechanische oder oxidative Prozesse zurückzuführen. In Abbildung 9 sind diese Gebilde bei einer oxidativ behandelten Starke (z.B. mit Natriumhypochlorit) zu erkennen. Zur Derivatisierung der Starke (Acetylierung / Hypochlorierung) sei auf die Literatur „3“ (Whistler) verwiesen. Ein Vergleich von Weizenstärke mit und ohne Nebenbestandteilen aus dem Herstellprozess zeigen die Abbildungen 10 und 11.

Anhang: REM Aufnahmen von Stärkeschichten

Ist so eine eingangs erwähnte Beschädigung in der Doppelmembran erst einmal vorhanden, können im Lichtmikroskop regelrechte Fräßgange der Amylasen ausgemacht werden. Die genauen Abbaustufen, die auch die erwähnte Stärkeschichtung zeigt, sind in den den Abbildungen 12 und 13 deutlich zu erkennen. Bei derartigen Aufnahmen hat sich die REM / FIB Technik bewährt. Aber auch mit einem ZEISS EVO REM, oder einem ZEISS GeminiSEM FE-SEM können derartige Aufnahmen erstellt werden. Die Stärke ist nach Erfahrungen von Professor Wanner von der LMU München in einem TEM (Transmissionselektronenmikroskop) hinsichtlich der Schichtungen schwierig zu erfassen, da die hydrophilen Schichten im Stärkekorn trotz Einbettung bei den Entwässerungs- und Kontrastierungsschritten mit Uranylacetat oder Bleiacetat zu störenden Verwerfungen im Präparat führen. Bei den hier vorliegenden REM-Aufnahmen kann das korrodierte Stärkekorn hingegen sehr gut visualisiert werden.

Quellen:

[1] G. Wanner, „Mikroskopisch – Botanisches Praktikum“ , Thieme Verlag 2004, S. 72 ff. und S. 80 ff.

[2] G. Tegge, „Starke“, 3. Auflage 2004 Behr/s Verlag

[3] J. BeMiller, R. Whistler, „Starch“, 3rd Edition, Elsevier Academic Press

[4] https://www.bitburger-braugruppe.de/qualitaet/brauprozess/ (23.02.2017)

[5] P.H. Raven; R.F. Evert; S.E. Eichhorn; „Biologie der Pflanzen“, 4. Auflage deGruyter; S. 20 – 23

[6] DE_41_013_135 | CZ 03-2017 Routineuberwachung von Getranken – Bier

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